Bachwoche Ansbach 2021 in Ansbach und Heilsbronn

Am Freitag, 30. Juli 2021 beginnt die diesjährige Bachwoche in Ansbach mit einem evangelisch-lutherischen Festgottesdienst in St. Gumbertus.

Es war Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach, der seinem Hofbaumeister Hofbaudirektor Leopoldo Rettÿ 1736 den Auftrag erteilte, die Stiftskirche in eine Pfarr- und Hofkirche umzubauen.

Zur Einweihung zwei Jahre später am 30.11.1738 steuerte der Hoch=Fürstlich=Onolzbachische Capellmeister Georg Heinrich Bümler eine Festkantate bei, deren Noten allerdings – da nicht gedruckt – untergegangen sind.

Dieser Hofkapellmeister Bümler ist auch das Verbindungstück zwischen Bach und Ansbach. Denn Johann Sebastian Bach war – im Gegensatz zu seinem heute ebenso berühmten Zeitgenossen Georg Friedrich Händel – selbst nie in Ansbach.

Als 1790 in Hamburg die „Bildniß-Sammlung“ aus dem Besitz von Carl Philip Emanuel Bach zum Verkauf angeboten wurde, fand sich auch der Kupferstich von Georg Heinrich Bümler im Angebot. In seinem Buch „Bach in Ansbach“ kommt Hans-Joachim Schulze auf Seite 141 deshalb zu folgender Schlussfolgerung: „Nicht auszuschließen ist, daß das Exemplar des von Johann Christoph Sysang (1703-1757) nach einer Vorlage von Johann Christian Sperling (1691?-1746) gefertigten Kupferstichs, einer Darstellung, über deren Lebensechtheit [Lorenz Christoph] Mizler sich am 12. Dezember 1746 lobend äußerte, aus dem Nachlaß [des Vaters] Johann Sebastian Bach stammte.“

Georg Heinrich Bümler ist heute in Ansbach fast vergessen. Zu seinen Lebzeiten allerdings war er eine wichtige Persönlichkeit, schaffte er es doch in das „Musikalische Lexikon“, welches von Johann Gottfried Walther 1732 in Leipzig herausgegeben wurde.

Dort steht: „Bümler (George Heinrich) Hochfürstlicher Anspachischer Capellmeister, ist ein berühmter Acteur, wie er denn schon An[no] 1699 in dem zu Anspach aufgeführten Dramate, genannt: le Pazzie d’Amore e dell’ Interesse, den Lindauro agiret.“ (Eintrag abgedruckt bei Schulze 2013, S. 135). Sicher, Ansbach war mit seiner markgräflichen Hofkapelle selbst eine bedeutende Musikstadt im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Wie konnte Ansbach in dem Lexikon dann fehlen?

2021 gibt die Musik wieder eine Woche lang mit Johann Sebastian Bach in Ansbach den Ton an (bis Sonntag, 8. August).Dazu gibt es in diesem Jahr ein umfangreiches Programm, leider nicht in gedruckter Form. Zwar ist dies im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung auf der Höhe der Zeit.

Jedoch verzichtet die Bachwoche Ansbach damit auf Präsenz in Stadt und Land und darüber hinaus. Aber klar, wir leben in Zeiten von Covid-19 und erleben überall noch die Einschränkungen durch die Corona-Epidemie. Und Kosten für das Marketing fallen in Krisenzeiten immer zuerst dem Rotstift zum Opfer. Dennoch wäre ein Heft für Gäste und Gastgeber, für Bürger und Gesellschaft, für Helfer und Veranstalter, für Politiker und Kulturschaffende angemessen gewesen, um etwas Festes in der Hand zu haben.

Bereits ausverkauft sind die Highlights der diesjährigen Saison: das Chorkonzert mit dem Dresdner Kammerchor in der Klosterkirche Heilsbronn (= Grablege der Burggrafen von Nürnberg, seit 1415 auch Markgrafen von Brandenburg) und das Orchesterkonzert mit dem La Cetra Barockorchester Basel in der Orangerie Ansbach.

300 Jahre Brandenburgische Konzerte

Die sechs „Brandenburgischen Konzerte“ wurden bereits zur Ansbacher Bachwoche 2019 gegeben. Eine Wiederholung in diesem Jahr hätte sich unbedingt angeboten. Denn 1721 – also von genau 300 Jahren – schickte Johann Sebastian Bach sechs Orchesterwerke an den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt, dem Bruder des preußischen Königs und somit Onkels der Ansbacher Markgräfin Friederike Louise. „Es gibt kein Zeugnis, ob der [Berliner] Markgraf diese für seine Musiker vielleicht zu anspruchsvollen Werke aufführen ließ, ebensowenig darüber, ob er Bachs mit besonderer Sorgfalt hergestellte Partiturabschrift der „Brandenburgischen Konzerte“ – wie man sie heute nennt – überhaupt vergütet hat.“ (Petzoldt 1959, S. 23) Leider wissen wir auch nicht, ob die Werke mit Bachs Originaltitel „Six Concerts avec plusieurs instruments“ nicht vielleicht von der Hofkapelle in Ansbach gespielt wurden. Die Chance, die Brandenburgischen Konzerte von Bach im Jubiläumsjahr in den Mittelpunkt der Bachwoche von Ansbach zu stellen und mehr über die Verbindungen in Erfahrung zu bringen, hat man leider verpasst.

Alles ist Kultur, alles ist Politik

Alles ist Kultur, alles ist Politik. Es wird sich zeigen, ob auch in Zukunft die Musik in Ansbach ihren Platz behaupten kann – und für Ansbach wichtig bleibt. Tatsächlich wird jeder Bachwöchner in diesem Jahr ein Demonstrant für Hochkultur in Ansbach sein. Ich wünsche jedem Gottesdienstteilnehmer und jedem Konzertgast viel Spaß und höchsten Genuss mit Bach & Co.

Literatur:

Attila Csampai/Dietmar Holland, Der Konzertführer, Reinbek bei Hamburg 1996

Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gumbertus Ansbach (Hg.), 250 Jahre Barocke Kirche St. Gumbertus, Ansbach 1988

Richard Petzoldt, Georg Friedrich Händel, Leizig 1955

Derselbe, Johann Sebastian Bach, Leipzig 1959

Hans-Joachim Schulze, Bach in Ansbach, Leipzig 2013

Leopoldo Rettÿ – Baumeister und Architekt im Ansbachischen und in Württemberg.

Leopoldo Rettÿ –  Baumeister und Architekt im Ansbachischen und in Württemberg Schloss Ansbach| Hohenzollern Residenz
Markgraf Carl Wilhelm Friedrich holt den Baumeister und Architekten Leopoldo Rettÿ aus Ludwigsburg nach Ansbach. Seine Hauptaufgabe ist die Fertigstellung der Residenz Ansbach. Heute gilt das Schloss Ansbach als das nach Würzburg bedeutendste Barockschloss in Franken. Foto: Ansbachische Markgrafenstraße.

Am 5. Januar 1731 tritt Leopoldo Rettÿ seine Stelle als Hofbaumeister am Markgrafenhof von Ansbach an. Rettÿ verdrängt dabei seinen Vorgänger Carl Friedrich von Zocha aus seinem Amt. Doch nicht nur das. Zocha rechte Hand, Johann David Steingruber, fühlt sich durch Rettÿs Auftritt zurückgesetzt, sieht sich doch Steingruber selbst als der natürliche Nachfolger Zochas. Wer war Leopoldo Rettÿ?

Über Leopoldo Rettÿ ist bis heute nur wenig erforscht. Unbekannt ist selbst sowohl sein Geburtstag, als auch sein Geburtsort. Vermuten die meisten Autoren das italienische Laino bei Como im ehemaligen Herzogtum Mailand als Geburtsort Rettÿs, so entwickelte Rolf Bidlingmaier 1997 in einem Aufsatz die Theorie, nach der das österreichische Wien als Herkunftsort Rettÿs gelten muss. In Wien arbeitete nämlich in der fraglichen Zeit 1703/1704 Rettÿs Onkel Giuseppe Donato Frisoni, der Bruder seiner Mutter, am Hof des deutschen Kaisers Leopold I. von Habsburg-Österreich. Frisoni, ursprünglich Stukkateur und später dann Architekt, wird später Rettÿs Lehrmeister sein. Freilich ist auch über Frisoni in Wien bislang wenig bekannt. Allein die Tatsache, dass er als Vater einer nichtehelichen Tochter am 14. April 1706 in dem Kirchenbuch von St. Ulrich zu Wien erscheint, zeigt seine enge Verbindung zur Haupt- und Residenzstadt Wien, wie Martin Poszgai aufzeigt.

Rettÿ ein deutscher Staatsbürger aus italienischer Nation

Für diese Theorie spricht zum einen der adaptierte Vorname Leopoldo als Referenz an den Kaiser und zugleich Frisonis Arbeitgeber, eine zur damaligen Zeit übliche Vorgehensweise. Zum anderen spricht für Wien das für Rettÿ auffallend deutsche Selbstverständnis: Zeit seines Lebens schreibt er seinen Namen auf deutsche Art und Weise mit „ÿ“ – dem deutschen i, einem Ypsilon mit zwei Pünktchen (durch die Veränderung wird aus dem griechischen Buchstaben ein deutscher) – und eben nicht Retti mit „i“, wie es die italienische Schreibung verlangt. Deshalb ist die bisherige Klassifizierung als „italienischer Baumeister“ (Karl-Heinz Kurzidem 2001) zu kurz gegriffen. Tatsächlich muss es nach aktuellem Stand heißen: Rettÿ ist ein deutscher Baumeister aus italienischer Nation.

Am 5. Mai 1704 findet die Grundsteinlegung in Erlachshof nördlich von Stuttgart statt für ein „rechtes Jagdhaus“, also einem repräsentativen Barockschloss. Auftraggeber für das Projekt ist Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg. Seinen Namen wird das Schloss und die spätere Stadt dann erhalten: Ludwigsburg. Drei Architekten sind an dem Bau beteiligt. Der junge Marbacher Theologe Philipp Joseph Jensch, vor allem aber der aus Norddeutschland stammende Pionieroffizier Johann Friedrich Nette und Rettÿs Onkel Donato Giuseppe Frisoni. Mit Frisoni kommen neben Leopoldo Rettÿ auch seine älteren Brüder Riccardo, Livio und Paolo Retti nach Ludwigsburg, um dort Schloss und Stadt als Maler, Bildhauer, Stukkateur, Baumeister und Bauunternehmer mit auf- und auszubauen.

Onkel Donato Giuseppe Frisoni geht nach Ludwigsburg


Mit dem Tod Nettes 1715 übernimmt Frisoni den Posten des Schlossbaumeisters, wobei er sich u. a. gegen Carl Friedrich von Zocha durchsetzt, und beteiligt seinen Neffen Paolo Retti mit dem Einverständnis des Herzogs als Bauunternehmer am Schlossbau. Immer mehr Verwandte Frisonis siedeln sich in Ludwigsburg an, zumal sich die Vorstellungen Eberhard Ludwigs „ins Riesenhafte“ (Bidlingmaier 1997) steigern. In Ludwigsburg entstehen im Laufe der Zeit eine Vierflügelanlage mit 452 Räumen in zusammen 18 Gebäuden. In dieser lebendigen, kreativen und bauhandwerklichen Welt, wobei auch immer alles in der Familie bleibt, erlernt Rettÿ schließlich sein Fach und legt den Grundstein für seine Karriere.

Nach seiner zweijährigen Studienreise durch Italien und Frankreich wird der junge Leopoldo Rettÿ 1726 zum herzoglich-württembergischen Baumeister ernannt. Tatsächlich können wir heute seinen großen handgezeichneten Plan „Ansicht von Schloss Ludwigsburg“ aus demselben Jahr als Probearbeit seiner Kunst ansehen. Denn direkt nach seiner Ankunft im Herzogtum Württemberg arbeitet der Architekt als Partner am Ludwigsburger Schlossbau mit. Zwei Jahre später wird das gesamte Stadtbauwesen der neugegründeten Stadt Ludwigsburg vom Schlossbau getrennt. Und Leiter der neuen Abteilung wird Leopoldo Rettÿ. Neben der Ludwigsburger Stadtplanung zeichnet der Baugestalter auch verantwortlich für die Zwillingstürme der evangelischen Stadtkirche in der Ost-West-Achse des Marktplatzes.

Im Jahr 1729 stirbt die Ansbacher Regentin und Markgräfin Christiane Charlotte, eine geborene Prinzessin von Württemberg. Nachfolger wird ihr Sohn Carl Wilhelm Friedrich im Alter von erst 17 Jahren und plant die Fertigstellung seiner Residenz samt großartiger Erweiterung und Modernisierung seiner Residenzstadt Ansbach. Er hält Ausschau nach einem fachkundigen und talentierten Vollblutarchitekten mit Berufserfahrung. Fündig wird der junge Markgraf am Hof seines Verwandten Herzog Ludwig Eberhard in Ludwigsburg: Leopoldo Rettÿ.

Denn im Markgraftum Brandenburg-Ansbach hatten zu viele Bauprojekte ihrer Vollendung. Und zu groß ist die Aufgabe für den bisherigen Obristbaumeister Carl Friedrich von Zocha, der zwar theoretische Kenntnisse der damaligen neuesten Architektur besitzt, aber von praktischer Bauleitung und –durchführung nichts versteht. Was Wunder auch, studierte Zocha doch zunächst Rechtswissenschaften in Gießen, Halle an der Saale und Leyden (Holland), bildete sich fort in England bevor er sich der Mathematik und Architektur in Paris widmete.

Residenz Ansbach ist Hauptaufgabe

Ab 1731 in Rettÿ in Ansbach, ein Jahr später ernennt ihn der Markgraf zum Baudirektor. Diese Beförderung steht in direktem Zusammenhang mit dem endgültigen Weggang seines Vorgängers: Zocha wird Minister und zugleich Oberamtmann von Crailsheim, eines „der größten und einträglichsten Ämter“ innerhalb des Fürstentums (Scholl 1930). Wichtigste Aufgabe ist die Vollendung der Ansbacher Residenz, also dem Markgrafenschloss, und anderer unter Zocha begonnener, aber nicht fertiggestellter Vorhaben. Liegen geblieben waren außerdem auch Neubauten wie der Orangerie und dem Zuchthaus in Ansbach sowie dem Falkenhaus im Tiergarten Triesdorf, dem bevorzugten Jagdgebiet 15 Kilometer außerhalb der Residenzstadt. Für Joseph Maria Ritz ist Rettÿ der wichtigste Architekt Ansbachs. „In Ansbach folgte auf Gabrieli und Zocha als Hauptarchitekt Leopold Retty, der den schönen, vornehmen Bau der Organgerie, wie auch das Schloß, nach Würzburg das bedeutendste in Franken, vollendet hat.“ (Ritz 1931).

Auf seiner Studienreise zu den großen Schlossbauten in München, Köln und Mannheim lernt der „umsichtige und energische Architekt“ (Schumann 1980) unterwegs seine spätere Ehefrau Anna Clara Darni aus Mainz kennen. Am 6. Juli 1733 findet die Hochzeit der beiden statt. Insgesamt elf Kinder gehen aus dieser Verbindung hervor, wobei ein Sohn und eine Tochter sehr früh versterben. Sogar eine Totgeburt haben die Eltern zu beklagen und zu verkraften.

Im Jahr 1734 plant Rettÿ die Umgestaltung des markgräflichen Tiergartens Triesdorf in eine barocke Sommerresidenz absolutistischer Prägung. Ähnlich dem Schloss Karlsruhe sollte die Anlage von einem zentralem Schloss beherrscht werden mit Jagdstern im Norden und Gärten mit Wasserspielen im Süden. Somit sollte Triesdorf tatsächlich als Jagdsitz mit Jagdschloss zu einer Sommerresidenz französischem Vorbilds weiterentwickelt werden. Dazu kommt es aber nicht. Vielmehr wird der Jagdsitz ausgebaut zu einem klassischen Landsitz englischer Prägung. Anstatt einem herrschenden Zentralbau mit dienenden Nebenbauten entstehen in Triesdorf eine Reihe von im Grund gleichrangigen Gebäuden. Es siegt also die dezentrale, demokratische Lösung gegenüber der zentralen, absolutistischen.

Dass das englische Thema tatsächlich in Triesdorf und damit in der Markgrafschaft Ansbach aufgegriffen wird, kommt nicht von ungefähr. Rettÿ hat Kontakt zum Baubüro des englischen Königshofs. Denn seit 1727 sitzt eine Ansbacherin auf dem englischen Thron: Königin Caroline von England und Großbritannien, eine Prinzessin aus dem Hause Brandenburg-Ansbach. Die Wandlung Triesdorf von einer geplanten Sommerresidenz hin zu einem klassischen Landsitz zu einer Art „Stadt“, indem das Nachbardorf Weidenbach baulich in den Landsitz einbezogen wird. So entsteht in Weidenbach etwa die markgräfliche Hofkirche. Rettÿ muss somit heute als deutscher Architekt des barock-klassizistischen Übergangsstils anerkannt werden.

Aufträge als freier Architekt

Neben den markgräflichen Bauten, Garten- und Stadtplanungen in Ansbach, Schwabach, Triesdorf, Bruckberg, Unterschwaningen, Merkendorf und anderswo übernimmt Rettÿ auch häufig Aufträge privater Bauherren. So tritt neben die Stelle als staatlicher Hofbaumeister auch die Arbeit als freier Architekt. 1733 übernimmt er mit Schloss Dennenlohe für Paul Martin Eichler von Auritz sein erstes privates Bauvorhaben. 1736 folgt Schloss Lindenbrunn nahe Langenburg, das spätere Ludwigsruh, als Sommerhaus für den Grafen Christian Albrecht von Hohenlohe-Langenburg. Ein Jahr später ist das kleine Schloss für Ernst Wilhelm Anton von Heydenab an der Reihe, 1738 Schloss Kirchberg an der Jagst für Carl August Graf von Hohenlohe-Kirchberg. Für Johann Wilhelm Gottfried von Seckendorff-Gudent erstellt Rettÿ das Rote Schloss in Obernzenn, im darauf folgenden Jahr das Schloss Eschenau in der heutigen Gemeinde Obersulm bei Heilbronn für den württembergischen Oberkriegskommissar Johann Melchior von Killinger.

Interessant hier ist festzustellen, dass Rettÿ bei staatlichen Aufträgen mit seinem späteren Nachfolger in Ansbach Johann David Steingruber (seit 1734 Landbauinspektor) zusammen arbeitet. Für private Aufträge stützt sich der Architekt lieber auf den Ansbacher Hofmaurer Michael Braunstein als Bauunternehmer. Später, Rettÿ ist mittlerweile in Stuttgarter Diensten, plant der Architekt im Winter 1749/1750 für Markgraf Carl Friedrich von Baden-Durlach einen Neubau zum bisherigen Residenzschloss in Karlsruhe. Zwar kommen diese Planungen nicht zur Umsetzung, doch kann Rettÿ ein anderes Projekt für den badischen Regenten durchführen: Schloss Stutensee nahe Karlsruhe.

Rettÿ baut Synagoge

Auch Kirchen baut Rettÿ als freier Architekt. 1739 plant er die evangelische Pfarrkirche in Sommerhausen am Main, 1743 die Synagoge in Ansbach und 1737 die katholische Kirche in Sondernohe nahe Flachslanden. Es bleibt dort allerdings bei den Planungen, Erbaut wird in Sondenohe unter seiner Regie 1747 lediglich das dazugehörige Pfarrhaus.

Im Jahr 1744 übernimmt der erst 16jährige Prinz Carl Eugen von Württemberg als Herzog die Regierung in Stuttgart. Allerdings fordert er von den württembergischen Ständevertretung, der Landschaft, eine „standesgemäße Wohnung“: ein repräsentatives Schloss. Um den Herzog, den Hofstaat und die Verwaltung in Stuttgart zu halten und somit einen Abzug nach Ludwigsburg zu verhindern, wird ihm dieser Wunsch genehmigt. Als Architekt beruft Carl Eugen den inszwischen in Stuttgart bekannten Leopoldo Rettÿ, der vorerst Hofbaumeister für die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach bleibt.

Neuer Großauftrag ist Stuttgart

Am 3. September 1744 kommt es zur feierlichen Grundsteinlegung für das Neue Schloss in Stuttgart. Während Rettÿ für die Planungen zuständig ist, liegt die örtliche Bauleitung bei dem württembergischen Oberbaudirektor Johann David Leger. Jedoch funktioniert die Zusammenarbeit der beiden nicht. 1748 wird Leger aus der Bauabteilung entlassen und im selben Jahr siedelt Rettÿ von Ansbach nach Stuttgart über.

Gerade einmal das Hauptgebäude, das sog. Corps des Logis, sowie der Gartenflügel des Neuen Schlosses in Stuttgart sind im Äußeren fertig gestellt, als Leopoldo Rettÿ am 18. September 1751 im Alter von 47 Jahren in Stuttgart stirbt und im Familiengrab in Oeffingen (heute Stadt Fellbach) beigesetzt wird. Um den Weiterbau am Neuen Schloss in Stuttgart kümmert sich fortan der in Paris ausgebildete Philippe de La Guepière, den Rettÿ bereits auf einer Studienreise durch Holland und Frankreich 1750 kennenlernte.

Neues Museum in Ansbach

Aktuell wird das sog. Retti-Palais, einem Stadtschloss in Ansbach, das Rettÿ ab 1745 als Bauträger („Particulier“, Scholl 1930, S. 82) für den starken Mann am Ansbacher Markgrafenhof, den „K. K. Wirklichen Geheimen Rath“ Christoph Ludwig von Seckendorff-Aberdar, Oberamtmann von Heilsbronn und Präsident des Administrationskollegiums der Grafschaft Sayn-Altenkirchen, erbaute, höchst aufwändig restauriert. Der Ansbacher Retti-Verein will in dem Haus nach Abschluss der Restaurierung und erheblicher Erweiterung ein Museum einrichten, um an den Baumeister und Architekten Leopoldo Rettÿ und seine Bedeutung für Ansbach zu erinnern.

 Das Rettÿ-Haus in Ansbach (2016).  Rettÿ verkaufte das Haus im März 1749 an den Oberamtmann und Obervogt von Ansbach, Christoph Ludwig von Seckendorff.
Das Rettÿ-Haus in Ansbach (2016). Rettÿ verkaufte das Haus im März 1749 an den Oberamtmann und Obervogt von Ansbach, Christoph Ludwig von Seckendorff.

Literatur:
Georg Sigmund Graf Adelmann, Topografie der kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten, in: Kreis Ludwigsburg, Stuttgart und Aalen 1977
Rolf Bidlingmaier, Die Brüder Riccardo, Paolo, Livio und Leopoldo Retti. Eine oberitalienische Künstlerfamilie im Herzogtum Württemberg, in: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde, Band 21, Heft 13, Stuttgart 1997
Heinz Braun, Die Sommerresidenz Triesdorf der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach 1600-1791, Kallmünz 1958
Walter-Gerd Fleck, Burgen und Schlösser in Nord-Württemberg, Frankfurt am Main 1979
Corinna Höper/Andreas Henning, Das Glück Württembergs, Ostfildern-Ruit 2004
Karl-Heinz Kurzidem, Leopoldo Retty, Ansbach 2001
Emil Lacroix u. a., Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Karlsruhe Land, Karlsruhe 1937
Josef Maier, Johann David Steingruber, Ansbach 1987
Norbert Mappes-Niediek, Europas geteilter Himmer. Warum der Westen den Osten nicht versteht, Berlin 2021

Martin Pozsgai, Donato Giuseppe Frisoni und der Gartenpalast Liechentenstein in Wien, in: Barock in Mitteleuropa, zugleich Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Wien Köln Weimar 2006/2007, S. 165-183
Joseph Maria Ritz, Bayerische Kunstgeschichte, Zweiter Teil, Fränkische Kunst, München 1931
Eugen Schöler/Hermann Thoma, Leopoldo Retti, Dennenlohe 2001
Edith Schoeneck, Der Bildersaal im Blauen Schloss zu Obernzenn, Ansbach 1997
Fritz Scholl, Leopoldo Retti, Ansbach 1930
Günther Schumann, Die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, Ansbach 1980
Michael Wenger, 250 Jahre Neues Schloß Stuttgart, Stuttgart 1996

Bachwoche in Ansbach 2019

Johann Sebastian Bach war Zeit seines Lebens nie in Ansbach. Heute wird er aber in der Hauptstadt von Mittelfranken hoch verehrt. Um seine Kirchenmusik auch entsprechend aufführen zu können, wurde in der Hof- und Stiftskirche St. Gumbertus vor wenigen Jahren eine neue Barockorgel eingebaut.
Alle zwei Jahre wird Bach in Ansbach mit der Ansbacher Bachwoche besonders gefeiert. In diesem Jahr ist es wieder soweit: Die Haupt- und Residenzstadt der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach ist zwischen 26. Juli und 4. August fest in der Hand von Freunden Alter Musik.

Rückrat des diesjährigen Musikfests, wie es im Programm heißt, bilden die „Brandenburgischen Konzerte“ mit dem Festivalorchester der Bachwoche unter der Leitung von Jörg Halubek, der gleichzeitig am Cembalo sitzt: Nr. 1 am 26.7., Nr. 2 am 31.7. und Nr. 3 am 2.8.
Höhepunkt des Musikreigens ist der 3.8 mit zwei Musikstars: Das Orgelkonzert mit der Toccata in C-Dur in der Stadtkirche St. Johannis mit Iveta Apkalnar um 11 Uhr und das Konzert „Bach Barock“ mit Dorothee Oberlinger (Blöckföte) im Festsaal der Residenz um 15.30 Uhr.
Der 3. August ist gleichzeitig der Todestag des heute bekanntesten Ansbacher Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich, dem sog. Wilden Markgrafen, einem Zeitgenossen von Johann Sebastian Bach.