Heinrich von Kleist und sein Versuch, nach Ansbach zu kommen

ANSBACH – Aktuell hat das Theater Ansbach das Lustspiel Amphitryon von Heinrich von Kleist aus dem Jahr 1807 auf dem Spielplan. Tatsächlich hatte der bedeutende Schriftsteller aus Frankfurt an der Oder schon zu seinen Lebzeiten eine Verbindung zu Ansbach. Kleist hoffte in Ansbach bezahlte Arbeit zu finden. In seinem Brief datiert vom 7.1.1805 schreibt Kleist an seinen Freund Ernst von Pfuel von Berlin aus: „Man wird mich gewiß, und bald, und mit Gehalt anstellen, geh mit mir nach Anspach,und laß uns der süßen Freundschafft genießen.“ Jetzt stellt sich natürlich die Frage, welche Art von Arbeit Kleist in Ansbach suchte und warum sein Ansbacher Projekt schließlich scheiterte.

In seiner Lebens- und Werkchronik über Heinrich von Kleist schreibt Helmut Sembdner: „1805 Anfang: auf Massenbachs und Hardenbergs Empfehlung Arbeit im Finanzdepartement unter Altenstein. Aussicht auf Anstellung in Ansbach.“ Mit Hardenberg ist Carl August Freiherr von Hardenberg gemeint, mit Altenstein Carl Sigmund Franz Freiherr von Stein zum Altenstein. Altenstein, enger Mitarbeiter von Hardenberg, wurde 1807 preußischer Finanzminister. Beide lernten sich wahrscheinlich in Triesdorf kennen. Altenstein war Page am Ansbacher Hof.

Carl August von Hardenberg in Triesdorf

Im September 1790 absolvierte Hardenberg seinen Antrittsbesuchs bei Markgraf Alexander in Triesdorf. Fortan war er leitender Minister der Regierung in den Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth. Seit 1791 war Hardenberg obendrein Chef der ansbachischen Hofbank, da im selben Jahr der Markgraf seine Markgrafentümer an das Königreich Preußen gegen eine Leibrente abtrat, also verkaufte. Am 2. Dezember 1791 „entledigte“ sich Markgraf Alexander offiziell seiner Regierungsgeschäfte in Ansbach-Bayreuth „gänzlich“.

Wir können uns also vorstellen, dass Kleist innerhalb der Königlich Preußischen Banco in Franken vorgesehen war. Daraus wurde nichts. 1806 kam das Fürstentum Ansbach an das neu gegründete Königreich Bayern. Im Klappentext des Buchs Unser Kleist, anlässlich des 200. Todestags des Dichters, lesen wir „1805 Reise von Berlin nach Königsberg; Arbeit an der Kriegs- und Domänenkammer; staats- und finanzwissenschaftliche Vorlesungen.“ Wir wissen somit, dass sich Kleist in Königsberg intensiv auf seine neue Position in Ansbach vorbereitete. Allerdings ohne Erfolg. Als er mit seiner Ausbildung fertig war, war Ansbach schon nicht mehr preußisch.

Wahrscheinlich ist das auch die Kernaussage des Amphitryons von Kleist. Der Feldherr Amphitryon erhält für den Sieg im Krieg gegen die Athener statt der Liebesnacht mit der Fürstentochter Alkmene nur die Nachricht, von Göttervater Zeus selbst gehörnt worden zu sein – Zeus tritt in der Figur des Amphitryons auf. Kleist erzählt uns so also seine eigene Geschichte. Zeus hat fulminanten Sex mit der hohen Tochter, nicht der siegreiche Feldherr. Kleist hatte eine exquisite Ausbildung in Staatswirtschaft, und sah sich um seine Karriere in Franken betrogen, wahrscheinlich auch um sein privates Liebesglück.

Somit ist klar, warum Goethe ist seinem berühmten Brief an Adam Müller, den Amphitryon nicht begreift. Am 28.08.1807 schreibt er von Karlsbad aus: „Über Amphitryon habe ich manches mit Herrn von Gentz gesprochen; aber es ist durchaus schwer, genau das rechte Wort zu finden. Nach meiner Einsicht scheiden sich Antikes und Modernes auf diesem Weg mehr, als daß sie sich vereinigen. Wenn man die beiden entgegengesetzten Enden des lebendigen Wesens durch Kontorsion zusammenbringt, so gibt das noch keine neue Art von Organisation; es ist allenfalls nur ein wunderliches Symbol, wie die Schlange, die sich in den Schwanz beißt.“ Goethe hatte Erfolg, Kleist nicht. Ach! (Schlußwort der Alkmene in Amphitryon).

Literatur:

Björn Brüsch, Genealogie einer Lehranstalt. Von der gartenmäßigen Nutzung des Landes zur Gründung der Königlichen Gärtnerlehranstalt. München 2010

Ingo Hermann, Hardenberg – Der Reformkanzler, München 2003

Elfi M. Haller, Karl August Freiherr von Hardenberg. Königl. Preuß. Wirklicher Geh. Staats-Kriegs-Cabinets- und dirigierender Minister über die Fürstentümer Ansbach-Bayreuth u. Chef der Bank in Franken, München 1987

Frank Mangelsdorf (Hg.), Unser Kleist. 60 Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler über den Dichter aus Frankfurt (Oder), Berlin Wildeshausen 2010

Helmut Sembdner (Hg,), Heinrich von Kleist. Werke in einem Band, München 1978, 2. Auflage

Arno Störkel, Christian Friedrich Carl Alexander. Der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, Ansbach 1995

Verein der Freunde Triesdorf und Umgebung e. V, (Hg.), Markgraf Alexander und sein Hof zu Triesdorf, Triesdorf 2022