In seinem Buch „Geschichte des vorletzten Markgrafen von Brandenburg-Ansbach“ (gedruckt posthum 1848 bei Carl Brügel in Ansbach), also über Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, berichtet der berühmt-berüchtigte Archivar und Schriftsteller Carl Heinrich Ritter von Lang auf Seite 30 von zwei Griechen, die im Jahr 1740 in Ansbach abstiegen: „Am 12. Dezbr. zwei griechische Geistliche, Auxentio Pangalo, Abt des Klosters der heiligen Marina auf der Insel Scio (= heute Chios, gemeint ist wahrscheinlich das Kloster Nea Moni), und Damasceno Omero, Conventual desselben Klosters, in der Krone (= heute Gaststätte La Corona, Johann-Bebastian-Bach-Platz). Allerdings war das Gasthaus zur Krone keine Absteige, sondern damals eines der ersten Häuser der Stadt.
Diese Nachricht Langs über dieses nenneswerte Ereignis ist in der Ansbacher Markgrafengeschichte bislang völlig unbeachtet geblieben. Denn was haben zwei hohe Geistliche der griechisch-orthodoxen Kirche in Ansbach für Geschäfte zu erledigen gehabt?
Neues Gewicht bekommt der Besuch des Archimandriten samt seines Schülers in Ansbach durch eine im Kloster des heiligen Johannes des Theologen (der Evangelist Johannes) auf der griechischen Insel Patmos verwahrten groß gesiegelten Urkunde, welches der römisch-deutsche Kaiser Carl der Sechste dem Abt des Klosters und Erzbischof auf Latein ausfertigen ließ und am 8.3.1727 in Wien unterschrieben hat. Diese Urkunde hängt im Museum des Klosters zwar an prägnanter Stelle, und zwar genau über dem Purpurkodex aus dem 6. Jahrhundert mit Auszügen aus dem Evangelium des Markus, allerdings ohne genaue Erläuterung. Auch im ansonsten ausführlichen Reiseführer des Archimandriten Antipas Nikitaras aus dem Jahr 2014 findet sich über diese bedeutende Urkunde keine Silbe.
Da die großen Klöster der griechisch-orthodoxen Kirche seit dem Untergang des byzantinischen Reichs – also der Eroberung Konstantinopels durch den osmanischen Sultan Mehmet II. am 29. Mai 1453 – die Wahrer der griechischen Kultur und vor allem des Wissens waren, also die Erhaltung der Tradition und der Sprache im Auge behielten, große Bibliotheken aufbauten und über wissenschaftliches Personal verfügten, kann man davon ausgehen, dass die Äbte, gewählt durch das Konvent selbst, die besten Wissenschaftler des jeweiligen Klosters waren und über enormes theoretisches und praktisches Wissen verfügten. Der Abt also als Unternehmensberater samt Assistenten in Ansbach des 18. Jahrhunderts!
Übrigens beide Klöster, Nea Moni auf Chios und Johannes dem Theologen auf Patmos, stehen heute auf der Welterbeliste der UNESCO.