Warum war Händel in Ansbach?

Georg Friedrich Händel in London und in Ansbach

Bis heute stellt sich die Frage, was Händel 1716 in Ansbach machte. Denn Georg Friedrich Händel war ja Komponist für den englischen Königshof in London.

Bislang wird folgendes Narrativ verwendet: „König Georg war nicht gern in England. Er benutze denn auch die gelungene Niederwerfung des Jakobitenaufstandes in Schottland als Anlaß, um mit seinem Gefolge am 7. Juli 1716 nach Hannover zu reisen. Händel folgte ein oder zwei Tage darauf. In Hannover gab`s für ihn wenig zu tun. Der König hatte nicht viel Zeit für Musik….Noch einmal besuchte er Mutter und Schwester in Halle und half der Witwe seines einstigen einstigen Lehrers Zachow aus der Not. Dann reiste er nach Ansbach, wo Johann Christoph Schmidt, ein alter Freund und Musikgenosse Händels aus der Universitätszeit, als Wollwarenhändler lebte. Händel nahm ihn kurzerhand mit nach England. Er blieb als Mr. Smith Händels Freund und Faktotum auf Lebenszeit, besorgte Händels Geschäfte, schrieb seine Manuskripte ab und verwahrte die Werke.“ (Müller-Blattau 1959, S. 50)

Dabei wird aber die Tatsache übersehen, dass Ansbach in der Karriere Händels am englischen Hof eine entscheidende Rolle spielt. Denn mit dem Tod der Königin Anne 1714 wurde der Kurfürst von Hannover aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg zugleich in Personalunion König von England und Großbritannien. Bei seinem Regierungsantritt verdoppelte der neue König Georg I. das Gehalt Händels auf 400 Pfund, obwohl sich Georg I. nichts aus Musik machte, allgemein sogar die Entlassung Händels aus königlichen Diensten erwarten worden war. Weitere 200 Pfund erhielt er zusätzlich als Hauslehrer für die beiden Prinzessinnen. Diese Zulage erhielt Händel auf persönlichen Wunsch der Kronprinzessin Caroline, der Princess of Wales und geborenen Prinzessin von Ansbach. „Wilhelmine Caroline (1683-1737), Tochter des Ansbacher Markgrafen Johann Friedrich, heiratete 1705 den kurbraunschweigischen Kurprinzen Georg August, der durch die englische Erbfolge 1714 Kronprinz und 1727 als Georg II. König von Großbritannien wurde.“ (Störkel 1995, S. 27)

Es wäre also ein zu großer Zufall, wenn beide Ereignisse – finanzieller Aufstieg in London und Fahrt nach Ansbach – nicht in Verbindung zueinander stehen sollten. Es ist also davon auszugehen, dass die künftige Königin Caroline es war, die den Musiklehrer ihrer Kinder in ihre alte Heimat schickte. Oder vielmehr lockte. Dort nämlich, in der Haupt- und Residenzstadt Ansbach, lebte der Bruder der englischen Kronprinzessin, Markgraf Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach mit seiner Frau Christiane Charlotte, einer geborenen Prinzessin von Württemberg.

Ansbach hatte ursprünglich ein bedeutendes Opernhaus mit einer Sommerbühne zu Triesdorf, dem Heckentheater, als Endpunkt des Langen Gangs, der Flaniermeile. Das neue Opernhaus zu Ansbach wurde im Jahr 1697 vom Hofbaumeister Gabriel de Gabrieli fertiggestellt und mit der Oper Narcisso vom Ansbacher Hofkapellmeister Francesco Antonio Pistocchi eingeweiht worden. Gewidmet war die Oper der Kurfürstin Sophia Charlotte von Brandenburg-Preußen, wie der eigens dafür gedruckte Programmzettel stolz betont (freundlicher Hinweis von Silvia Martina Möwes). Sie war die Frau von Kurfürst Friedrich Wilhelm, dem späteren König in Preußen, und war eine geborene Herzogin von Braunschweig-Lüneburg. Heute wird die Partitur der Oper Pistocchis in der Königlichen Sammlung des Britischen Museums zu London verwahrt (freundlicher Hinweis von Barbara Eichner).

Die Noten wurden in Ansbach selbst nicht mehr gebraucht. Mit der Heirat des Markgrafen Wilhelm Friedrichs 1709 mit seiner Frau Christiane Charlotte verschoben sich die Gewichte. Statt des Opernhauses zu Ansbach wurde nun für den Hofgarten eine Orangerie benötigt. Die Hofmusik zu Ansbach wurde aufgelöst, der große Violinist Johann Georg Pisendel machte nicht in Ansbach Karriere, sondern am Hofe Augusts des Starken zu Dresden. Schließlich war die Mutter von Markgraf Wilhelm Friedrich und Königin Caroline die geborene Herzogin Eleonore Erdmuthe Louise von Sachsen-Eisenach und in zweiter Ehe verheiratet mit dem Kurfürsten Johann Georg IV. von Sachsen. Nach seinem Tod 1694 wurde sein Bruder Friedrich August neuer Kurfürst, seit 1697 zusätzlich König in Polen.

Jetzt scheint die Sache klar zu sein: Händel holte in Ansbach die Noten ab. Den Rest des Bestands – wobei wahrscheinlich schon Pisendel vorher Noten zu Johann Sebastian Bach nach Weimar brachte – nahm sein Sekretär Johann Christoph Schmidt mit. Und dankte seiner Mäzenatin Königin Caroline, indem er ihr ein Jahr später, 1717, seine Wassermusik widmete.

So stellt Eugen Schöler in seinem Aufsatz „Caroline, die englische Königin aus Franken“ fest: „Nachhaltig hat Caroline den berühmten Komponisten Georg Friedrich Händel gefördert (dessen Privatsekretär Schmidt übrigens aus Ansbach stammte). Sie setzte ihm ein Jahresgehalt aus und erhöhte es, als er ihren Kindern Musikunterricht erteilte. Händel dankte seiner königlichen Gönnerin, indem er zur Krönung von Georg und Caroline 1727 die „Anthems“ komponierte; und seine weltbekannte „Wassermusik“ hat er ihr persönlich gewidmet.“ (=Sonderdruck Nr. 3 des Vereins der Freunde Triesdorf und Umgebung e. V., Triesdorf 1988, S. 14)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert